Effektive Meetings

„Zwischen Klarheit und Kopfweh: Warum ich mich jetzt auf ein Meeting freue“

01.09.2025
FokussierungFührungskräfteentwicklungPartizipationSelbstführungSelbstorganisationWirksamkeit

Dies ist der zweite Beitrag unserer Reihe „Zwischen Klarheit und Kopfweh“ – echte Geschichten aus dem Führungsalltag. Wieder begleiten wir Anna, Bereichsleiterin in einem mittelständischen Unternehmen, durch eine Situation, die zugleich vertraut und herausfordernd ist. Diesmal geht es um Meetings: Orte zwischen Routine und Reibung, zwischen Zeitfresser und Möglichkeitsraum.

Auch hier stehen nicht fertige Antworten im Mittelpunkt, sondern das Erleben: Wie aus Druck ein Impuls entstehen kann, wie Beteiligung neue Energie freisetzt – und wie sich aus kleinen Veränderungen größere Dynamik entwickelt. Der Text lädt dazu ein, eigene Erfahrungen zu spiegeln und Fragen weiterzudenken.

Montagmorgen: Müdigkeit

Montag, 8:15 Uhr.
Ich sitze in einem dieser Meetings, wie sie viele Wochen beginnen. Der Raum ist voll, die Folien wechseln in gleichmäßigem Rhythmus – doch meine Gedanken gleiten langsam davon. Fast automatisch öffne ich den Laptop, mein Blick fällt auf den Kalender: ein buntes Mosaik, Termin an Termin, kaum Luft zum Atmen. Und mittendrin die Nachricht der Geschäftsführung: ein neues Konzept, das bis in drei Tagen fertig sein soll.

In mir zieht sich etwas zusammen. Wie soll ich das schaffen, wenn jede Stunde schon verplant ist?

Ich hebe den Blick, sehe die Gesichter der anderen Meetingteilnehmenden: abwesend, müde, routiniert. Und plötzlich blitzt ein Gedanke auf – unangenehm klar: Vermutlich sehe ich genauso aus. Ein stilles Spiegelbild, das mich kurz zucken lässt.

Der Auftrag – und ein Dilemma

Nach dem Meeting lese ich die Mail erneut. Die Aufgabe ist anspruchsvoll, die Zeit knapp. Allein werde ich das kaum stemmen. Und doch zögere ich, sie einfach weiterzureichen. Es pendelt zwischen dem Wunsch, Verantwortung zu übernehmen, und dem Gefühl von Überforderung.

Erste Ideen formen sich: Wer könnte mitdenken? Was wäre ein sinnvoller erster Schritt? Doch bevor ich weiterdenken kann, steht schon das nächste Meeting an – mit meiner Stellvertretung. Für einen Moment überlege ich, den Auftrag an ihn zu delegieren, aber es fühlt sich nicht stimmig an. Dann fällt mir eine Szene ein: Zwei Kolleginnen hatten kürzlich angedeutet, dass sie Lust hätten, sich stärker konzeptionell einzubringen.

Etwas beginnt sich in mir zu bewegen – zwischen dem Anspruch, die Aufgabe gut zu lösen, und dem Wunsch, andere zu beteiligen, ohne sie zu überfordern. Wieder fällt mein Blick auf den Kalender. In zwei Stunden steht schon ein weiteres Team-Meeting an – noch unvorbereitet.

Doch statt weiterem Druck entsteht eine Idee: Was, wenn wir das Meeting dafür nutzen? Nicht nur reden, sondern wirklich gemeinsam arbeiten?

Vorbereitung: Raum schaffen

Mein Stellvertreter kommt herein, sieht meinen Blick und fragt nach. Ich schildere ihm die Situation und meine Idee. Er hört zu, denkt kurz nach – und sagt dann: „Dann lass uns das Meeting gemeinsam vorbereiten. Mein Datenschutzthema kann auch eine Woche warten.“

Wir werfen einen Blick auf den Themenspeicher. Wie so oft: voll. Statusberichte, Abstimmungen, Rückblicke. Ich sehe wieder die müden Gesichter vom Morgen vor mir. Und frage vorsichtig: „Was wäre, wenn wir die Statuspunkte rauslassen?“

Ein kurzes Zögern. Dann: „Und wie erfahren die anderen, was gerade läuft?“
„Ich schreibe eine Mail. Wer Fragen hat, meldet sich, wer selbst Neuigkeiten hat sendet sie.“

Mir wird klar, wie wichtig Struktur in der Vorbereitung ist. Wir streichen, sortieren, gewinnen eine ganze Stunde. Eine Stunde, die wir anders füllen wollen – mit echter Zusammenarbeit. Gemeinsam formulieren wir Fragen, die Orientierung geben, ohne einzuengen. Skizzieren, wie wir Dringlichkeit vermitteln können, ohne Druck zu erzeugen. Als wir fertig sind, bin ich zugleich aufgeregt und gespannt. Wir probieren etwas aus, das wir so noch nicht gemacht haben.

Das Team-Meeting

Ich beginne das Meeting mit einem Hinweis: Heute lassen wir die Statusberichte weg – und widmen uns gemeinsam dem Konzeptauftrag. Es wird kurz still. Dann meldet sich Jana:
„Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich anders vorbereitet.“
Ich halte inne, merke, dass sie recht hat. Und sage es. Kurz erkläre ich den Hintergrund, betone, dass mir Beteiligung wichtig ist – und dass es mir um Zusammenarbeit geht, nicht ums Übergehen.

Die Stimmung lockert sich. Und dann geschieht etwas Unerwartetes: Die Ideen sprudeln. Jemand schlägt eine Aufteilung vor, eine Kollegin bringt eine Vorlage ein. In kurzer Zeit entsteht eine erste Struktur, ein gemeinsames Verständnis. Kein fertiges Konzept – aber ein tragfähiger Plan. Und das Gefühl: Wir tragen das gemeinsam. Ich bin nicht mehr allein damit.

Die Woche danach: Reibung und Resonanz

Am Dienstagmorgen schreiben zwei Kolleginnen fast gleichzeitig: Sie haben an denselben Textteilen gearbeitet. Doppelarbeit. Ich atme tief durch, telefoniere kurz mit beiden – zehn Minuten später ist alles geklärt. Ein erstes Learning: Gemeinsamer Start braucht Abstimmung auf dem Weg.

Mittwoch dann: ein Kollege wirkt angespannt. „Ich komme kaum zu meinen eigentlichen Themen – und jetzt das Konzept obendrauf …“
Wir sprechen offen. Was hat gerade Priorität? Was kann jemand anderes übernehmen? Am Ende nehmen wir ihm einen Teil seiner Aufgaben ab – und mit ihm fällt spürbar ein Stück Last.

Donnerstagmorgen treffen wir uns kurz zu einem spontanen Check-in. Kein formales Meeting, nur ein halbstündiges Abgleichen: Wo stehen wir? Was braucht es noch? Wer stockt? In dieser halben Stunde wird mir klar: Etwas hat sich verschoben. Das Projekt ist nicht mehr „mein“ Auftrag – es ist „unser“ Thema geworden.

 

Ein Blick nach vorn

Freitag, später Nachmittag. Ich lehne mich zurück und frage mich: Was, wenn wir das beibehalten? Die Statuspunkte per Mail, und die Meetings als Räume echter Zusammenarbeit. Plötzlich tauchen Möglichkeiten auf: strategische Fragen, Teamentwicklung, Themen, die sonst immer zu kurz kommen.

Ich spreche mit einer Kollegin. Ihr Vorschlag:
„Frag das Team doch nächste Woche: Wie erleben wir unsere Meetings? Was fehlt uns? Was wollen wir anders machen?“

Eine Woche später tun wir genau das. Wir sprechen im Team – nicht entlang einer festgelegten Agenda, sondern entlang dessen, was uns gerade bewegt: Wie erleben wir unsere Zusammenarbeit? Was stärkt uns? Wo entstehen neue Impulse?

Gegen Ende des Treffens verändert sich spürbar die Atmosphäre. Die Gespräche sind lebendig, die Beteiligung aktiv, die Energie im Raum wach. Es wird deutlich: Hier entsteht ein Raum, in dem Mitgestaltung möglich wird. Ein Raum, in dem Perspektiven aufeinandertreffen – und etwas Neues in Bewegung kommt.

Ich atme tief ein – und merke: Der Kalender ist noch immer voll. Aber da ist jetzt ein Termin in der Woche, auf den ich mich wirklich freue.

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